Herausforderungen und Ziele
Die Bevölkerung in weiten Teilen der Welt altert, die Geburtenraten gehen zurück. In Europa liegt die Fertilitätsrate schon unter 1,5 Kindern pro Frau (ein Wert von 2,1 wäre für den Erhalt der Bevölkerungszahl notwendig). Dieser Trend führt in Kombination mit dem medizinischen Fortschritt zu einem immer höheren Anteil an alten und sehr alten Menschen.
Herausforderungen für das Gesundheitssystem
Mit dem Alter nehmen auch schwere Krankheiten und Hilfsbedürftigkeit zu. Gleichzeitig geht die Generation der Babyboomer in Rente. Die älteren Ärzte und Pflegekräfte von heute sind diejenigen, die morgen selbst versorgt werden müssen. Viele freiwerdende Stellen können schon jetzt nicht wieder besetzt werden. Diejenigen, welche den Medizinbetrieb und die Pflege der Kranken und Alten noch am Laufen halten, stehen oft am Rande der Erschöpfung.
Zunehmende Belastung und psychische Erkrankungen
Die hohe Arbeitsbelastung spiegelt sich auch in anderen Berufsgruppen wider: Fast neun von zehn Deutschen fühlen sich von ihrer Arbeit gestresst. Fast jeder zweite Bundesbürger ist von typischen Vorboten eines Burnouts betroffen: innere Anspannung, Rückenschmerzen, anhaltende Erschöpfung, Lustlosigkeit oder Schlafstörungen.
Diese Entwicklung trägt auch zum Anstieg psychischer Erkrankungen bei. Vor allem Angststörungen, Depressionen, psychosomatische und Suchterkrankungen werden immer häufiger diagnostiziert. Inzwischen hat mehr als ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland eine psychische Krankheit. Unter Einsamkeit leiden nicht nur die Älteren, sondern – besonders seit der Corona-Pandemie – zunehmend auch junge Erwachsene. Die Verordnung von Antidepressiva hat sich in den letzten 15 Jahren verdoppelt.
Krebs und andere Krankheiten, die im Alter häufiger auftreten
Auch Krebs, eine weitere Gruppe von Krankheiten, die mit dem Alter zunehmen, stellt eine große Herausforderung dar. Zwar kann Krebs heute mit verbesserten Therapien bei mehr als der Hälfte der Patienten gestoppt werden, doch viele "geheilte" Krebspatienten leiden noch nach Jahren an den Nachwirkungen der Krebsbehandlung und der Angst vor einem Rückfall.
Neben dem Alter und der familiären Belastung spielt die Lebensweise eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Krankheiten wie Krebs, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Fehlernährung, Übergewicht, zu viel Alkohol und zu wenig Bewegung erhöhen das Risiko. Die Betroffenen schaffen es nur selten aus eigener Kraft, ihre krankmachenden Muster durch gesündere Gewohnheiten zu ersetzen.
Therapieerfolge hängen oft wesentlich von den Patienten selbst ab.
An Vorschlägen, wie der Überforderung des Gesundheitssystems zu begegnen sei, mangelt es nicht. Wenig beachtet wird, dass es bei vielen Erkrankungen zum großen Teil von den Patienten selbst abhängt, wie erfolgreich sie wieder gesund werden oder gesund bleiben können. Jahrzehntelange internationale Forschung zeigt, dass die Motivation der Patienten, ihre Einsicht und ihre aktive Mitarbeit wesentlich darüber bestimmen, wie gut und anhaltend psychotherapeutische Behandlungen wirken. Eine sehr wichtige Rolle spielt auch die Unterstützung aus dem sozialen und kulturellen Umfeld der Patienten.
Je überforderter und erschöpfter Ärzte und Pflegekräfte sind (es gibt wenig Hoffnung, dass sich das zeitnah bessern wird), desto stärker werden die Patienten - das heißt früher oder später jeder von uns - in die Eigenverantwortung gerufen. Insbesondere bei chronischen und psychischen Krankheiten macht es wenig Sinn, unseren Körper und unsere Seele wie ein Auto mit einer komplizierten Software zu betrachten, das wir bei einem Schaden einfach in einer spezialisierten Werkstatt (Klinik) abgeben, um es reparieren zu lassen.
Liebevoll und achtsam auf sich selbst schauen
Betrachten wir uns selbst - um in der Metapher zu bleiben - eher wie ehrwürdige Oldtimer, die Zeit, Aufmerksamkeit, Pflege und Liebe benötigen, um schön und funktionstüchtig zu bleiben. Wir kämen nicht auf die Idee, einen Oldtimer wie ein reines Nutzfahrzeug zu gebrauchen. Vielmehr organisieren wir uns in Clubs, um unsere Freude an diesen besonderen Autos und an ihrer Geschichte zu teilen sowie uns darüber auszutauschen, wie wir sie am besten erhalten.
Ein neues Leben
Eine ernste Erkrankung lädt uns dazu ein, mit anderen Augen auf uns selbst zu schauen: auf unsere Lebensgeschichte, unsere Überzeugungen und Verhaltensmuster, unsere Bedürfnisse und Lebensziele. Wenn uns eine schwere Krankheit wie Krebs oder ein Herzinfarkt aus unserem gewohnten Leben herausreißt, dann geht uns oft viel verloren. Aber wir bekommen dank der heutigen Medizin meist auch ein neues Leben geschenkt. Wenn wir einfach nur unser altes Leben zurückhaben wollen, dann verbauen wir uns den neuen Erfahrungs- und Möglichkeitenraum, der sich durch die Krankheit geöffnet hat.
Große Kompetenz durch die Erfahrung des Krankseins
Wer eine schwere Krankheit durchmacht und lernt, mit den Folgen der Krankheit zu leben, erwirbt wertvolles Erfahrungswissen und oft auch ein besonderes Mitgefühl. Diese Kompetenzen können für andere Kranke überaus wertvoll sein. Damit ist die Frage berührt, wie sich Patienten und ihre Angehörigen in Zukunft noch besser gegenseitig unterstützen und mit Ärzten zusammenarbeiten können.
Die Möglichkeiten und Grenzen der Schulmedizin realistisch einschätzen
Kommen wir noch einmal zurück auf die Oldtimer-Metapher. Auch bei bester Pflege geht bei jedem Fahrzeug früher oder später etwas kaputt. In einer Fachwerkstatt müssen von Spezialisten die Ursache gefunden und defekte Teile gegen neue ausgetauscht werden.
Ähnlich verfährt die Schulmedizin: Künstliche Gelenke, Herzklappen oder Organtransplantate ersetzen abgenutzte Körperteile, Stents und Bypässe halten verengte Gefäße offen, und Medikamente regulieren Stoffwechselprozesse oder bekämpfen Krankheitserreger. Lebenswichtige Hormone wie Insulin werden ersetzt, wenn der Körper sie selbst nicht (mehr) produzieren kann. Bei vielen akuten Erkrankungen und Unfällen sowie immer besser auch bei Krebs kann die Schulmedizin Leben retten oder erheblich verlängern.
Doch auch die beste Werkstatt stößt an ihre Grenzen. Die Schulmedizin kann bei vielen chronisch verlaufenden Volkskrankheiten wie Rheuma, Neurodermitis, Schuppenflechte oder chronischen Schmerzen oft nur die Symptome lindern, aber nicht die Ursache beheben. Bei psychosomatischen Erkrankungen stößt die Schulmedizin regelmäßig an ihre Grenzen.
Darüber hinaus birgt jede "Reparatur" am menschlichen Körper auch gewisse Gefahren. Medikamente haben oft unerwünschte Nebenwirkungen, und Operationen sind immer mit einem Risiko verbunden. So musst die Schulmedizin oft mit komplementären Ansätzen wie Psychotherapie, Physiotherapie oder Naturheilkunde kombiniert werden. Vor allem aber können Patienten und Angehörige gemeinsam viel mehr bewirken, als ihnen oft bewusst ist.
Der Erfolg von Selbsthilfegruppen
Studien zeigen, dass Selbsthilfegruppen nach dem Prinzip der Anonymen Alkoholiker (AA) mindestens genauso wirksam sind wie professionelle Psychotherapie. Die positiven Effekte der AA erklären Experten damit, dass AA ein starkes Unterstützungsnetzwerk und ein Gefühl der Zugehörigkeit anbieten. In der Gruppe erfahren die Teilnehmer Selbstwirksamkeit, was ihr Selbstvertrauen stärkt. Sie bekommen Hilfe, ihre Verhaltensweisen zu ändern und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Die positive Wirkung von Selbsthilfegruppen wurde auch bei Depressionen, Angst- und Essstörungen sowie bei chronischen Erkrankungen wie Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Problemen sowie bei chronischen Schmerzen wissenschaftlich nachgewiesen. Empfehlenswert ist die Teilnahme an Selbsthilfegruppen zudem für trauernde Menschen.
Co-Kreativität: Wer allein arbeitet, addiert, wer gemeinsam arbeitet, potenziert.
Psychische, chronische und Krebserkrankungen haben in der Regel sehr komplexe Entstehungsbedingungen, die viel mit der persönlichen und familiären Lebensgeschichte der Betroffenen zu tun haben. Entsprechend vielschichtig und individuell müssen die Therapieansätze sein. Der einzelne Arzt und selbst eine spezialisierte Klinik sind oft mit dieser Komplexität überfordert. Es fehlt nicht nur an dem ganzheitlichem Wissen, sondern oft auch ganz einfach an der Zeit, die benötigt werden, um leidenden Menschen in ihrer individuellen Einzigartigkeit gerecht zu werden.
Ein neuer Ansatz für die gemeinsame Bewältigung komplexer Herausforderungen heißt "Co-Kreativtät". Co-Kreativität ist ein Prozess, der weit über einfache Zusammenarbeit hinausgeht. Alle Beteiligten sind gleichberechtigt und an der Erschaffung von etwas Neuem beteiligt. Hier sind einige Merkmale, die Co-Kreativität auszeichnen:
Eine gemeinsame Vision oder ein Ziel, das alle Beteiligten teilen.
Ein offener Austausch und vertrauensvolle Kommunikation, um Ideen gemeinsam weiterzuentwickeln.
Gleichberechtigung und Wertschätzung aller Beteiligten beim Einbringen von Ideen und Erfahrungen.
Ein iterativer Prozess, bei dem Ideen gemeinsam entwickelt, verworfen, verändert und wieder aufgegriffen werden.
Am gemeinsamen Ergebnis des Prozesses haben alle Beteiligten ihren Anteil.
CoKreativität stärkt das Gemeinschaftsgefühl und fördert die Zusammenarbeit.
Entwicklungschancen durch Leiden
Viele, die schwer erkranken, ziehen sich erst einmal von der Welt zurück. Das ist eine natürliche Reaktion, aber wenn der Rückzug zu lange andauert, können wertvolle soziale und geistige Kompetenzen verloren gehen. Auf Dauer drohen Isolation und Verkümmerung der Persönlichkeit.
Krankheitssymptome sind ein wichtiges Signal, dass ein Mensch Hilfe benötigt und dass sich dringend etwas ändern muss. Der tiefere Sinn von Krankheit und Leiden ist oft, uns auf drängende Entwicklungsaufgaben und Entwicklungschancen hinzuweisen. Schwere Krankheit zwingt uns Veränderung auf, und wenn wir uns gegen diese Veränderung wehren, laufen wir Gefahr, unseren Heilungsprozess zu behindern und unser Leiden zu verlängern.
Entwicklung findet in der Regel in Bezug auf andere und gemeinsam mit andern statt, ganz besonders auch dann, wenn wir uns in besserer Abgrenzung üben. Daher ist eine Gruppe in vielen Fällen ein geeigneter (co-kreativer) Entwicklungsraum.
Gemeinschaft: Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude
Bei äußerer Bedrohung rücken Menschen oft zusammen, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft sind in Krisenzeiten stärker ausgeprägt. So helfen viele Menschen bei Naturkatastrophen spontan und selbstlos, bergen Verschüttete, teilen Lebensmittel und bieten Obdach. Terroranschläge führen oft zu einer Welle der Solidarität.
Die evolutionsbiologische Erklärung für diese Reaktionen ist, dass Zusammenarbeit die Überlebenschancen des Einzelnen und der Gruppe erhöht.
Auch eine schwere Krankheit und ganz besonders eine Krebsdiagnose erleben wir subjektiv meist als existenzielle Bedrohung. Die Krebstherapie gleicht oft einem Krieg, in dem mit allen Mitteln der mächtige Feind "Krebs" (zum Glück immer erfolgreicher) besiegt werden kann. Dieser Kampf hinterlässt aber körperlich und seelisch oft ein Schlachtfeld. Anders als im Krieg und bei Katastrophen bleiben viele mit ihrer Not allein.
In einem zeitgemäßen Gesundheitskloster gibt es geschützte Gesprächsangebote mit klaren Regeln, die es erlauben, sich gegenseitig mit den eigenen Schwächen und Verletzlichkeiten zu öffnen, ohne befürchten zu müssen, von anderen bewertet und belehrt zu werden. Wenn wir Menschen bei all unserer Einzigartigkeit eines gemeinsam haben, dann ist es unsere Unvollkommenheit. Wir können voneinander lernen, wie wir mit Situationen großer Not fertig werden, und uns gegenseitig mit praktischer Hilfe zur Seite stehen.
Der demografische Wandel und seine Folgen
Selbstverantwortung und Selbsthilfe
Gemeinsam wirken
Das Projekt "Gesundheitskloster" ist eine Antwort auf die gesundheitspolitischen Herausfoderungen unserer Zeit. Hier erfährst du etwas über
den demografischen Wandel und seine Folgen
hieraus resultierend die Notwendigkeit sehr viel höherer Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit und stärkerer Selbstfürsorge
die Notwendigkeit, dass Patienten und Therapeuten zukünftig noch stärker gemeinsam wirken, zum Beispiel im Rahmen eines Gesundheitsklosters.
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